Dr. Sabine Radtke setzt sich für psychisch erkrankte Geflüchtete ein

Dr. Sabine Radtke ist Fachärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie und setzt sich als Dr. Pro Bono für zurückkehrende Geflüchtete mit psychischen Erkrankungen ein. Für ihr Engagement zeichnete sie die Stiftung Gesundheit nun mit dem Dr. Pro Bono Siegel aus. 

Frau Dr. Radtke, wie setzen Sie sich als Ärztin für das Gemeinwohl ein? Was tun Sie genau? Wen unterstützen Sie?

Ich bin Mitglied eines kleinen humanitären Vereins namens IF- „Initiative für zurückgekehrte Flüchtlinge Bad Sachsa e.V“. Dieser Verein unterstützt Geflüchtete in Deutschland bei Übersetzungen, während des Asylverfahrens und bei sozialen Problemen.

Seit 2017 unterstützt unser Verein eine psychiatrische Klinik in Modrica/Bosnien und setzt sich für die Verbesserung der ambulanten Betreuung von psychisch kranken Menschen ein.

Seit wann sind Sie im Ehrenamt tätig?

Das Projekt begann mit einer aus Bosnien geflüchteten Familie, die während des Bürgerkriegs in Deutschland gelebt hat und in ihr Heimatland zurückgekehrt ist. In dieser Familie sind zwei der drei Kinder an Muskeldystrophie Typ Duchenne erkrankt. Da es in Bosnien keine ambulanten Beatmungsgeräte gibt, wären die Kinder mit 15 bis 16 Jahren gestorben. Um dies zu verhindern, organisierte der IF eine Spende von drei Beatmungsgeräten. Zusätzlich wurden damals für die örtliche psychiatrische Klinik Sonographie-Geräte, ein Defibrillator, Bettwäsche u.a. beschafft.

Inzwischen konnte der Klinik auch durch ein gespendetes Auto für Hausbesuche geholfen werden. Über die GIZ, der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, wurden zwei Selbsthilfegruppen etabliert.

Planen Sie in Zukunft noch weitere ehrenamtliche Projekte?

Ich bin Fachärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie und erlebe oft Unsicherheiten im Umgang mit psychisch Kranken. Daher planen wir in Bosnien ein Aufklärungsprojekt, um über diese Krankheiten zu informieren, denn häufig werden psychisch Kranke dort durch die Öffentlichkeit ausgegrenzt und stigmatisiert. Die geplante Kampagne bezieht gezielt Angehörige ein und ermutigt sie, Kontakt zu den Erkrankten in der Klinik aufzunehmen.

Zu erwarten ist, dass weitere chronisch Kranke verbesserte ambulante Versorgung fordern. Dieses Anliegen möchte die IF unterstützen. Es gibt viele engagierte Menschen in Bosnien, welche die medizinische Versorgung und soziale Situation verbessern wollen. Aber diese sind nicht unbedingt in der Politik vertreten. Der IF versucht durch die Zusammenarbeit aller Akteure Dinge zum Positiven zu bewegen, denn vor dem Krieg war die Versorgung deutlich besser.

Mit welchen Hürden haben Sie dabei zu kämpfen?

Bosnien ist noch immer vom Bürgerkrieg geprägt: es gibt die kroatische Bevölkerung, überwiegend katholisch, die serbische Bevölkerung, überwiegend orthodox und die bosnische Bevölkerung, überwiegend muslimisch. Das Regierungssystem ist komplex und anteilig sind alle Bevölkerungsgruppen vertreten. Das Land steht unter UN-Mandat – hier ist ständig Kriegsgefahr präsent. Die unsichere politische Situation und der verständliche derzeitige Fokus auf den Ukraine-Krieg erschweren ein nachhaltiges Engagement.

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