Einsatz für eine verbesserte psychotherapeutische Versorgung: Dr. Pro Bono Madeleine Hemmerde

Positiv handeln, verändernd eingreifen, gemeinsam erstarken: Diplom-Psychologin Madeleine Hemmerde setzt dem Fachkräftemangel mit der Gruppentherapie-Methode aktiv etwas entgegen. Für ihr Engagement hat die Stiftung Gesundheit sie mit dem Siegel „Dr. Pro Bono“ ausgezeichnet.

Frau Hemmerde, warum und seit wann setzen Sie sich für das Gemeinwohl ein?

Engagement seit der Jugend: Madeleine Hemmerde setzt sich auf verschiedenen Wegen ein, um dem Fachkräftemagel entgegenzuwirken.

Ich engagiere mich seit meiner Jugend und konzentriere mich derzeit auf eine Forschungsarbeit zur Verbesserung der psychotherapeutischen Versorgung. Hintergrund ist, dass dem sehr hohen Bedarf an psychotherapeutischer Behandlung zu wenige Fachkräfte gegenüberstehen. Diese Situation ist bei Kindern und Jugendlichen noch gravierender als bei Erwachsenen.

In diese Arbeit investiere ich viel Freizeit und Geld, um Assistenzkräfte zu entlohnen, Material anzuschaffen, Raum- und Hausmeisterkosten u. a. zu decken, denn es ist leider nicht leicht, Bezuschussungen zu erhalten.

Was tun Sie dabei genau? Erzählen Sie mehr zu Ihrem Projekt und zu der Organisation.

Inhalt des Projektes ist die EMDR-Gruppentherapie-Methode „G-TEP“ (Group Traumatic Episode Protocol). Diese wurde ursprünglich für die Behandlung von Flüchtlingen entwickelt, die akut traumatisiert sind oder unter fortlaufenden Konsequenzen lebensverändernder Ereignisse leiden, die länger zurückliegen. Mit ihr können mehrere Betroffene gleichzeitig mit einem verhältnismäßig geringen Zeitaufwand und einer hohen Wirksamkeit behandelt werden. Erste wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass G-TEP vielversprechend ist, um mehrere Betroffene gleichzeitig erfolgreich zu behandeln und deren PTBS-, Depressions- und Angst-Symptome zu mindern. Dadurch soll auch – präventiv gedacht – eine Zustands-Verschlimmerung verhindert werden, der häufig entsteht, wenn die Betroffenen unbehandelt bleiben.

Darüber hinaus beteilige ich mich an der kostenfreien Ausbildung von Therapeutinnen und Therapeuten, führe unentgeltlich Psychotherapiestunden und unterstütze Menschen dabei, die persönlichen Verwaltungsaufgaben zu bewältigen. Hier führe ich Telefonate für Menschen, denen es aufgrund von Ängsten, Sprachbarrieren u. a. schwer fällt, dies zu tun.

Zudem leite ich zwei Qualitätszirkel, die den Fachaustausch von PsychotherapeutInnen erleichtern.

Haben Sie dabei mit Hürden zu kämpfen? Was würde Ihnen die ehrenamtliche Arbeit erleichtern?

Die Nachfrage nach psychotherapeutischer Behandlung ist deutlich gestiegen, jedoch ist die Anzahl der PsychotherapeutInnen gleichgeblieben. Viele von uns arbeiten weit über ihre Grenzen, um den Bedarf doch nicht decken zu können.

Insofern fühle ich mich in meinem Engagement bestätigt, an der (G-TEP) -Methode weiterzuarbeiten, ihre Wirksamkeit wissenschaftlich zu unterfüttern und vielleicht dazu beizutragen, dass sich weitere Psychotherapeuten für eine Ausbildung in diesem Verfahren interessieren. Wünschenswert wäre es, diese Methode als ein wirksames Instrument ins Gesundheitssystem aufzunehmen, mit dem zeitnah einer größeren Anzahl von Menschen durch intensive Behandlung in einer Gruppe eine erste Entlastung zu Teil werden könnte.

Planen Sie in Zukunft noch andere ehrenamtliche Projekte?

Ja. Ich habe bereits ein Konzept der G-TEP-Methode für die Anwendung bei Kindern/Jugendlichen erarbeitet und beabsichtige, es auch mit wissenschaftlicher Begleitforschung umzusetzen. Darüber hinaus bemühe ich mich darum, Kolleginnen/Kollegen dafür zu gewinnen, dieses Vorhaben mit mir gemeinsam umzusetzen.

Wo besteht aus Ihrer Sicht noch Bedarf an ehrenamtlicher, ärztlicher Arbeit?

Es gibt viele Missstände in unserer Gesellschaft und auf dieser Erde, an denen Menschen leiden. Jeder hat meines Erachtens die Aufgabe, etwas zum Gelingen von sozialen Systemen beizutragen. Positiv handelnd, verändernd einzugreifen, sich „einzumischen“ und mitzugestalten, wirkt gewissermaßen anti-resignativ und anti-depressiv, vermindert die Hilflosigkeit, die so manche/r gegenüber ihren/seinen Lebensbedingungen spürt, die schädigend oder gar krankmachend wirken.

Ehrenamtliches Engagement wirkt sicherlich einer immer stärker werdenden Individualisierung und Isolierung entgegen und kann dabei helfen, Frieden zwischen Menschen herzustellen.

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