Kindernotfallmedizin: Im Einsatz für die Kleinsten

Neben ihrem ärztlichen Fulltime-Job setzt sich Dr. Katharina Rieth auch als Dr. Pro Bono für die Kleinsten in unserer Gesellschaft ein.

Wie setzen Sie sich für das Gemeinwohl ein?

Hauptberuflich und ehrenamtlich im Einsatz für die Kindernotfallmedizin: Dr. Katharina Rieth

Als Kinderfachärztin, Intensivmedizinerin und Notärztin liegt mir insbesondere die Gesundheit und die Zukunft der Schwächsten unserer Gesellschaft am Herzen, nämlich die der Kinder und deren Familien. Deshalb setze ich mich seit über zehn Jahren tatkräftig für nachhaltige Aufklärung, Gesundheitsprävention und eine Verbesserung der präklinischen kindernotfallmedizinischen Versorgung ein.

Was tun Sie dabei genau? Wen unterstützen Sie?

Neben meinem Fulltime-Job als Ärztin in der Notfallrettung, meiner Arbeit im kinderärztlichen Notdienst, in der Zusammenarbeit mit Feuerwehr, DRLG und ärztlichen Kollegen am Simulationszentrum als PALS- und ACLS-Instruktorin sowie Dozentin an Rettungsdienstschulen organisiere ich ehrenamtlich Präsenzfortbildungen und Webinare zum Thema der Kindernotfallmedizin: Angefangen bei Eltern, Erziehern, Tagesmüttern, Lehrern bis hin zu Rettungsdienstmitarbeitern, Hebammen, Studenten und Ärzten – mir ist es eine Herzensangelegenheit, alle fit für den Kindernotfall zu machen.

Denn Kindernotfälle sind zwar selten, jedoch besonders zeitkritisch, was bei gleichzeitig fehlender Routine zu Angst und Fehleranfälligkeiten in der Akutversorgung von Kindern führt – und das unabhängig vom Ausbildungsstatus. Um im Kindernotfall rasch und richtig handeln zu können, ist es deshalb wichtig, die im Vergleich zum Erwachsenen vorliegenden entscheidenden anatomischen, physiologischen und emotionalen Unterschieden zu kennen. Damit das Ganze sowohl theoretisch als auch praktisch sitzt, ist regelmäßiges Training unerlässlich.

Doch die besten Skills sind nutzlos, wenn man durch eine rudimentäre Ausstattung, sowohl materiell als auch personell, ausgebremst wird. Aus diesem Grund kämpfe ich neben der Vermittlung wichtiger kindernotfallmedizinischer Fähigkeiten für eine adäquate finanzielle und materielle Unterstützung in der Akutversorgung von Kindern und Jugendlichen. Praktisch geht es mir dabei um eine dem wissenschaftlichen Stand entsprechend vollständige Ausstattung von Kindernotfallkoffern auf Rettungsmitteln, in der ärztlichen Niederlassung, im örtlichen Bereitschaftsdienst und in der Vereinslandschaft.

Doch nicht nur Erwachsene können Erste-Hilfe erlernen. Deshalb besuche ich in meiner Freizeit Schulen, um Kindern alles Wissenswerte rund ums Thema der Ersten-Hilfe und ein gutes Gefühl, Helfen zu dürfen und zu können zu vermitteln. Resilienz spielt dabei eine ganz große Rolle. Aus diesem Grund unterstütze ich auch aktiv die gemeinnützige Initiative Pflasterpass® – das Seepferdchen der Ersten-Hilfe.

Aufklärungs- und Präventionsarbeit sind der Schlüssel einer verbesserten Gesundheitskompetenz. Meinen Beitrag dazu leiste ich, indem ich auf diversen Plattformen, in Zeitungen, Fach- und Elternzeitschriften sowie auf meinen Social-Media-Seiten mein pädiatrisches Fachwissen in Form von Blogbeiträgen, Interviews, kostenlosen Downloads von Checklisten und Elternleitfäden oder Podcast-Gastbeiträgen öffentlich und niederschwellig zur Verfügung stelle und mittels diverser Posts auf Missstände rund um Themen wie Kinderrechte und Kindergesundheit aufmerksam mache. Zudem unterstütze ich gemeinnützige Organisationen wie Paulinchen e.V. – Initiative für brandverletzte Kinder und den Bundesverband „Das frühgeborene Kind“ e.V. mit Posts und Spenden und bin „Nettie“ im Netzwerk Stiftungen und Bildung.

Natürlich leiste ich auch ehrenamtliche ärztliche Einsätze in meiner nächsten Umgebung, z.B. auf dem Flughafenkinderfest oder weiteren Veranstaltungen auf der Messe in Stuttgart.

Erzählen Sie gern etwas mehr zu Ihren Projekten.

Neben ihrem ehrenamtlichen Engagement arbeitet Dr. Rieth unter anderem als Notärztin.

Besonders freue ich mich darüber, dass meine Vision der Gestaltung und des Entwurfes eines Kindernotfall-Onlinekurses für Eltern und Alle, die mit Kindern leben und sie betreuen 2020 wahr wurde. In Zusammenarbeit mit mapadoo entstand ein ganzes Kindernotfall ABC, angefangen von Basics, über alle relevanten Kindernotfälle bis hin zur Kinderreanimation. Mein Traum, den Onlinekurs einer möglichst breiten Bevölkerungsgruppe kostenlos zur Verfügung zu stellen, etwa als kostenfreien Service von Krankenversicherungen.

Seit Juni 2022 bin ich auch offiziell Buchautorin. Ergänzend zum Onlinekurs ist beim medhochzwei Verlag mein Buch “Fit für den Kindernotfall – von Fieber bis Reanimation“ veröffentlicht worden, welches als Grundausstattung für Alle, die mit Kindern zu tun haben dient und 2022 von der Stiftung Gesundheit zertifiziert wurde.

Mit welchen Hürden haben Sie dabei zu kämpfen?

Ständig brüsten sich Werbekampagnen und Wahlprogramme damit, Familien in den Fokus zu stellen und tönen groß damit, dass „Kinder unsere Zukunft“ seien. Sobald es aber darum geht, personelle sowie finanzielle Hilfen einzufordern, die Kindergesundheit zu fördern sowie deren Rechte durchzusetzen, stößt man auf taube Ohren. Dann hört man Sätze wie: „Du wirst Dir schon noch die Hörner abstoßen!“ oder „ewig wirst du nicht durchhalten und immer den guten Samariter spielen können!“ oder „da hat sich die letzten Jahrzehnte Nichts getan – da wird sich demnächst auch Nichts ändern!“. Meist beginnt der Kampf somit bei sich selbst und damit, sich nicht entmutigen zu lassen, an seine Träume zu glauben und auch Rückschläge hinnehmen zu können. Denn egal, wie viele Steine einem in den Weg gelegt werden. Daraus lässt sich am Ende immer eine gute Brücke bauen.
Wir Ärzte sind es leider immer noch gewöhnt, tagtäglich wie „Lemminge“ zu arbeiten, wie selbstverständlich Überstunden zu machen, uns bis zur völligen Erschöpfung um unsere Patienten zu kümmern und aus Zeit- und Energiemangel wichtige Entscheidungen zur Gestaltung des Gesundheitswesens Menschen zu überlassen, die in der Praxis Null mit dem medizinischen Beruf zu tun haben und aus theoretischen Annahmen den Bedarf regeln. Aus diesem circulus vituosus muss man erst einmal herausfinden, um klare Gedanken fassen zu können. Dann ist es natürlich wichtig, sich zu vernetzen mit Menschen, die genauso pragmatisch und motiviert an Problemlösungen und deren Umsetzung arbeiten und gemeinsam die oft in Stein gemeißelten Konventionen kritisch zu hinterfragen. Gerade beim Thema Aufklärung und Prävention gibt es im Onlinebereich noch keine wirkliche Filterfunktion. Viele Laien können gar nicht überschauen, auf welche Informationen sie sich verlassen können oder nicht. Hier würde ich mir deutlich mehr sichtbare Qualitätskriterien wünschen.

Bereisen Sie beispielsweise auch Entwicklungsländer und bilden Ärzt:innen vor Ort aus?

Um „Entwicklungshilfe“ auf dem Gebiet der Kindergesundheit zu leisten, muss man gar nicht weit reisen. Es reicht, direkt Zuhause vor die Tür zu gehen und rechts und links zu schauen. Denn unser weltweit hochgelobtes Gesundheitssystem wird weniger durch dessen Struktur als hauptsächlich durch das außerordentliche Engagement des Gesundheitspersonals aufrecht erhalten. Und dieses Engagement gilt es zu fördern und zu stärken.

Dies gilt insbesondere für das Gebiet der Kindernotfallmedizin.

Seit wann sind Sie ehrenamtlich tätig?

Ehrenamtliches Engagement gehört in meiner Familie von jeher zur Selbstverständlichkeit. Ob es das Kranzbinden für Weihnachten, Kuchenbacken für einen guten Zweck, die Erledigung von Einkäufen für die ältere Nachbarschaft, die Mitorganisation von Kinderbetreuungen, Hilfe bei der Altkleidersammlung, Päckchen schnüren für Bedürftige oder die Verteilung von Informationsbroschüren zur Blutspende ging. Ich bin in diese Tätigkeiten hineingewachsen und habe sie nie als etwas Besonderes begriffen. Dieses Gefühl bekommt man erst später, wenn man während des Studiums oder der Assistenzarztzeit von anderen für sein Engagement bestaunt und gefragt wird, „wie man das denn alles noch nebenher auf die Reihe bekommt!“

Fühlen Sie sich als Ärztin verpflichtet, sich auch in Ihrer Freizeit für bedürftige Menschen einzusetzen?

Ich sehe das Angebot von Hilfe für bedürftige Menschen – egal in welcher Lebenslage – nicht als Pflicht, sondern als Selbstverständlichkeit an. Ich bin auch der festen Überzeugung, dass jeder von uns sicherlich irgendwann einmal im Laufe des Lebens in einer bestimmten Situation Hilfe benötigen und dann glücklich darüber sein wird, wenn diese ohne Vorbehalt und Hintergedanken geleistet wird. Wie heißt es so schön: „Karma kommt immer zu einem zurück!“ Es lebt sich einfach unbeschwerter, wenn man Probleme direkt angeht, anstatt sich nur darüber zu beschweren und darauf zu warten, dass sie sich von alleine lösen werden.

Wie ist Ihr Eindruck: Engagieren sich mehrere ärztliche Kolleg:innen ehrenamtlich?

Ich hatte ja bereits über die zum Teil enormen Arbeitsbelastungen in der Ärzteschaft gesprochen und kann deshalb gut nachvollziehen, dass es für viele Kollegen einfach zu stressig wird, sich neben Beruf und Familie noch ehrenamtlich zu engagieren. Trotzdem bin ich immer wieder erstaunt darüber, wie positiv sich die eigene Begeisterung, Freude und Motivation auf das Umfeld auswirkt. Es macht auf jeden Fall Sinn, sich mit Menschen zu umgeben, die ebenfalls gerne Projekte umsetzen und zur Verbesserung beitragen möchten, anstatt einem immer nur daran zu erinnern, wie „schwierig das doch werden könnte“ und „wie viel einfacher es doch ohne diese Zusatzarbeit sein könnte!“ Glücklicherweise steht es einem frei, mit wem man sich vernetzt und zusammenarbeitet.

Planen Sie in Zukunft noch weitere ehrenamtliche Projekte?

Ja, definitiv. Es ist ja auch immer schön mitanzusehen, wie Projekte wachsen und angenommen werden. Meine nächsten Herzensprojekte sind schon am Entstehen. So schreibe ich aktuell unentgeltlich als Co-Autorin das Kapitel zu pädiatrischen Notfällen für das Notarztkompendium eines Kollegen.

Weiterhin wird momentan meine Projektidee, den KindernotfallABC-Onlinekurs allen Gehörlosen in Gebärdensprache kostenfrei zur Verfügung zu stellen, geplant und hoffentlich bald umgesetzt.

Vielen Dank für Ihre Antworten.

Bildnachweise: mapadoo & Dr. Rieth