Für Patientinnen und Patienten, die wenig oder gar keinen Besuch während ihres Krankenhausaufenthalts bekommen, setzt sich Prof. Dr. Axel Prokop ein. Der Chefarzt und Facharzt für Allgemeinchirurgie, Orthopädie und Unfallchirurgie aus Sindelfingen hat ein Projekt ins Leben gerufen, bei dem speziell geschulte Helfer Zeit mit vor allem älteren Patienten verbringen. Mehr über sein ehrenamtliches Engagement, für das wir ihn mit dem Dr. Pro Bono-Siegel ausgezeichnet haben, hat er im Interview verraten.
Prof. Dr. Axel Prokop, wie setzen Sie sich als Arzt für das Gemeinwohl ein?
Zusammen mit 70 anderen Ehrenamtlichen begleiten wir ältere, von Delir und Angstzuständen gefährdete stationär aufgenommene Patienten im Krankenhaus. Die täglichen, einstündigen Besuchsdienste tragen signifikant zum Wohlbefinden der Patienten bei, reduzieren ihren Neuroleptikaverbrauch deutlich und helfen zudem, die Belastung des Pflegepersonals zu senken.
Was tun Sie genau? Wen unterstützen Sie?
Zusammen mit meinem Kollegen Dr. Karl-Michael Reinauer, Chefarzt der Medizinischen Klinik VI für Altersmedizin in Sindelfingen, bin ich seit 2017 federführend für die medizinische Begleitung des Projektes verantwortlich. Die Initiative führen wir gemeinsam mit dem Kreisseniorenrat Böblingen und dessen Vorsitzenden Manfred Koebler durch.
Unsere geschulten Helferinnen und Helfer betreuen ausgesuchte Patienten, welche wenig oder keinen Besuch bekommen, einsam wirken, oder Anzeichen einer beginnenden Demenz zeigen und Angst oder Unruhe in der neuen Umgebung im Krankenhaus äußern. Sie begleiten diese im Haus und bei der Mobilisation, erklären, lesen vor, unterhalten sich oder hören zu. Dadurch vermitteln sie Ruhe und geben Rückhalt und Zusprache. Diese Zuwendung wirkt sich sehr positiv auf die Menschen aus.
Erzählen Sie gern etwas mehr zu der Organisation.
Zum Hintergrund ist es wichtig zu wissen: Ein Großteil der stationär in unfallchirurgischen Kliniken behandelten Patienten sind über 70 Jahre alt und erheblich durch Begleiterkrankungen gefährdet. Häufig erleiden diese Patienten Stress und ein Delir, welches die Gefahr birgt, an dessen Folgen zu versterben. Ansprache, Zuwendung und Beschäftigung verringern hochsignifikant dieses Risiko. Deshalb starteten wir vor einigen Jahren auf Initiative des Zentrums für Alterstraumatologie und des Kreisseniorenrates Böblingen dieses Projekt.
Wie sind Sie bei Ihrem Engagement konkret vorgegangen?
Nach einer sechs monatigen Pilotphase in der Unfallchirurgie wurde das Projekt auf 14 Stationen in vier Krankenhäuser ausgeweitet. Die inzwischen 75 Begleiter werden in einem 30-stündigen Curriculum in allen Fragen rund um Gesprächsführung, Erste Hilfe, Hygiene, Delir, Demenz, Depression, Osteoporose und Frakturen geschult und erhalten strukturierte Besuchspläne.
Regelmäßige Auswertungen zeigen: Die Patienten und Begleitenden empfinden die Betreuung als sehr gut und persönlich befriedigend. Keiner der ersten 500 dokumentierten Patienten erlitt ein manifestes Delir bis zur Entlassung. Der Neuroleptikaverbrauch auf der betroffenen Station ging um 17 Prozent zurück. Auffällig war auch eine deutliche geringere Frequenz an Patientenrufen an das Pflegepersonal, die somit entlastet wurden.
Seit wann sind Sie im Ehrenamt tätig?
Ich leite dieses Projekt seit 2017, in welchem – mit coronabedingten Unterbrechungen – bis zum 01. 09. 2022 über 11.500 Patienten begleitet wurden. Sehr erfreulich ist das neue Erweiterungsprogramm, bei dem die Begleitenden ihre Schützlinge schon am Vorabend von deren Operation kennenlernen, sie am OP-Tag bis zur Schleuse begleiten und anschließend im Aufwachraum auf sie warten.
Fühlen Sie sich als Arzt verpflichtet, sich auch in Ihrer Freizeit für bedürftige Menschen einzusetzen?
In Zeiten von Fachkräftemangel ermöglicht die Patientenbegleitung durch ehrenamtliche Patientenbegleiter eine innovative Betreuung der von Delir gefährdeten Patienten. Allein durch die Zuwendung von Begleitern konnte die Belastung des Pflegepersonals gesenkt werden. Dieses Engagement halte ich für sehr bedeutsam und wir sind sehr stolz auf das, was wir mit den Patientenbegleitern bisher erreicht haben.