Als Frau galt Dr. med. Sigrid Tapken in der Urologie vor über 30 Jahren als Ausnahme. Heute leistet die Fachärztin für Uroonkologie und Urogynäkologie aus Bonn ehrenamtliche interdisziplinäre Aufklärungsarbeit. Darüber hinaus hält sie Vorträge über die Themen Harn- und Stuhlinkontinenz sowie Beckenbodenfunktionsstörungen. Für ihr Engagement erhält die Ärztin von uns die Auszeichnung „Dr. Pro Bono“. Im Interview gibt sie Einblicke in ihr Ehrenamt.
Frau Dr. Tapken, wie setzen Sie sich als Ärztin für das Gemeinwohl ein? Was tun Sie genau? Wen unterstützen Sie?
Ich setze mich für den Austausch unter den Fachdisziplinen ein. Das ist mir seit vielen Jahren eine Herzensangelegenheit, und den teilnehmenden Kollegen denke ich auch. Gerade zu Beginn meiner Ausbildung zur Fachärztin für Urologie habe ich ja eher als Ausnahme gegolten und musste wiederholt den Kollegen gegenüber rechtfertigen, wie wichtig eine Frau in der Urologie ist. Ich habe dann als erste Urologin die Zertifizierung zur Urogynäkologin von der AGUB e.V. (Arbeitsgemeinschaft für Urogynäkologie und plastische Beckenbodenrekonstruktion) erteilt bekommen. Als Moderatorin mit Sonderzulassung habe ich seit 2004 sukzessive drei Qualitätszirkel (QZ) aufgebaut und geleitet, die alle interdisziplinär aufgestellt sind. Das hat eine Grundlage für den Wissensaustausch unter den Kollegen und damit für den Wissenstransfer an die Patienten geschaffen.
Vor allem der QZ BBG (BeckenBodenGesundheit) war mir ein besonderes Anliegen, um Klinikärzte, Praxisinhaber und Therapeuten in den Austausch zu bringen. Als nach Corona wieder Fortbildungen für alle Kolleginnen und Kollegen stattfinden konnten, habe ich diesen QZ in einen eingetragenen Verein überführt. Gemeinsam mit dem Vorstand haben wir nun weitere Aktivitäten zu diesen wachsenden Thematiken der Harn- und Stuhlinkontinenz und Beckenbodenfunktionsstörungen geplant.
Nach mehr als zwölf Jahren als 1. Vorsitzende habe ich bewusst meinen Vorsitz an die jüngere Generation weitergereicht. Nun bin ich als Ehrenmitglied im und für den Vorstand aktiv, halte Vorträge und sorge für weiteren Zugewinn der AG-BBG e.V. (Arbeitsgemeinschaft Beckenbodengesundheit e.V.).
Erzählen Sie gern etwas mehr zu der Organisation.
Die AG-BBG setzt sich dafür ein, die Patientenversorgung und interdisziplinäre Arbeit zu verbessern. Dafür erarbeitet sie zum Beispiel Therapie- und Diagnostikleitfäden. Darüber hinaus sucht und nutzt der Verein Synergien von Kliniken und Praxen, tauscht sich aus und diskutiert zu entsprechenden Themen. All dies ist sind dringend notwendig, um die kommenden Patientenwellen menschlich, fachlich und individuell versorgen zu können.
Mit welchen Hürden haben Sie dabei zu kämpfen?
Eine wesentliche Herausforderung ist es, Kolleginnen und Kollegen zu motivieren, dass sie ihre Freizeit in diese wertvolle Arbeit investieren.
Bereisen Sie beispielsweise auch Entwicklungsländer und bilden Ärztinnen und Ärzte vor Ort aus?
Das wäre zu dieser Thematik bestimmt noch eine interessante Option. Jedoch hat der Ausbau der Strukturen in unserer Region rund um Bonn erstmal Priorität.
Seit wann sind Sie im Ehrenamt tätig?
Seit 2004 setze ich mich für das genannte Ehrenamt ein. Ein weiteres ist meine Energiequelle im Gospelchor Wave of Joy e.V. Dort gebe ich als Gründungsmitglied bis heute Menschen Zuversicht und setze mich dafür ein, Kirchen ökomenisch in den Rhythmus zu bringen.
Fühlen Sie sich als Ärztin verpflichtet, sich auch in Ihrer Freizeit für bedürftige Menschen einzusetzen?
Ja, unbedingt. Ärztin zu sein ist für mich eine Berufung, und Menschen wie Natur finde ich faszinierend und inspirierend für die Wissenschaft. Daher bin ich auch seit 2004 in der Universität als Lehrbeauftragte tätig, um den angehenden Kolleginne und Kollegen Wissen zu vermitteln. Als Co-Autorin des Buches „Prüfungsfragen für Prüfer und Prüflinge“ habe ich den Zugang zu den Hausärzten gefunden und durfte dann das Institut für Hausarztmedizin an der Universität Bonn mit aufbauen.
Wenn es die Zeit irgendwann zulässt, möchte ich gerne soziale Brennpunkte unterstützen und am liebsten als „mobile Urologie“ Menschen auf dem Land versorgen.
Wie ist Ihr Eindruck: Engagieren sich auch ärztliche Kolleg:innen ehrenamtlich?
Ja, schon, sonst gäbe es viele Projekte nicht. Allerdings werden es die nächsten Generationen vielleicht nicht mehr schaffen, dies auch fortzuführen, da der Arztberuf immer mehr Zeit einnimmt und die Energie für Engagement dann fehlen könnte.
Planen Sie in Zukunft noch weitere ehrenamtliche Projekte?
Ja, allerdings sind sie noch im Reifungsprozess.
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