Stimmungsbarometer 1. Quartal 2024: Verbesserung vor allem bei Hausärzten
- Stimmung in den ärztlichen Fachgruppen steigt um 5,7 Punkte
- Belastende Faktoren werden seltener genannt
- Stimmung, Lage und Erwartung im Zeitverlauf
- Wirtschaftliche Lage und Erwartung in den Fachgruppen
- Vergleich mit dem ifo-Geschäftsklimaindex
- Kommentar: Änderung tut not – aber wie?
Es geht bergauf, wenn auch langsam: Im ersten Quartal hat sich die wirtschaftliche Stimmung der Ärzte um 5,7 Punkte verbessert. Mit -32,8 Punkten liegt sie allerdings noch immer im roten Bereich.
Verbessert haben sich sowohl die Einschätzung der aktuellen wirtschaftlichen Lage (plus 6,2 Punkte) als auch die Erwartung für die kommenden sechs Monate (plus 5,3 Punkte).
Entwicklung der Stimmung in den ärztlichen Fachgruppen
Die deutlichste Verbesserung zeigt sich bei den Hausärzten mit einem Plus von 10,2 Punkten, gefolgt von den Psychologischen Psychotherapeuten (plus 8,4 Punkte) und den Fachärzten (plus 7,1 Punkte). Dagegen verschlechterte sich die Stimmung bei den Zahnärzten (minus 3,5 Punkte).
Belastende Faktoren werden seltener genannt
Die beiden größten Faktoren für die schlechte Stimmung in der Ärzteschaft sind aus Sicht der Ärzte unverändert Entscheidungen und Vorgaben von Politik und Selbstverwaltung (76,7 Prozent) und die Digitalisierung (67,9 Prozent). Beide Werte fallen allerdings etwas niedriger aus als im vorherigen Quartal: Dort hatten 80,7 Prozent der Ärzte Entscheidungen und Vorgaben „von oben“ als maßgeblichen Faktor genannt und 75,5 Prozent die Digitalisierung. Konstant geblieben ist dagegen der drittstärkste Faktor: 53,3 Prozent der Ärzte sehen die eigene Arbeitszeit als belastendend, im Vorquartal waren es 53,8 Prozent.
Stimmung, Lage und Erwartung im Zeitverlauf
Wirtschaftliche Lage und Erwartung in den Fachgruppen
Vergleich mit dem ifo-Geschäftsklimaindex
Der Vergleich der Indexwerte der Stimmung bei den niedergelassenen Ärzten mit dem ifo-Geschäftsklimaindex zeigt im 1. Quartal 2024 bei beiden eine deutliche Erholung: Dabei stieg der Index der Ärzte mit einem Plus von 2,8 Indexpunkten stärker als der ifo-Index (plus 1,5 Punkte).
Kommentar: Änderung tut not – aber wie?
Unsicherheit allerorten – so lässt sich das Ergebnis des aktuellen Stimmungsbarometers deuten. Auch wenn sich die Lage etwas entspannt hat, bleibt die Stimmung der ambulant tätigen Ärzte und Zahnärzte weiterhin ausgesprochen negativ, lediglich die Psychologischen Psychotherapeuten kommen hier in einen annähernd neutralen Bereich. Wie sich die Stimmung weiter entwickeln wird ist ungewiss: Wir beobachten seit Mitte 2022 zwar kleinere Auf- und Abwärtsbewegungen – ein klarer Trend lässt sich daraus aber bislang nicht ableiten.
Ihre Wurzeln hat die spürbare Unsicherheit zum einen in der allgemeinen politischen Situation, vor allem aber in spezifischen Themen der medizinischen Versorgung. Dass Änderungen im Gesundheitssystem notwendig sind, um seine Leistungsfähigkeit zu erhalten, werden nur die wenigsten bestreiten: Die weiter steigenden Beitragssätze, die geographische Ungleichheit im Zugang zu ambulanter und stationärer Versorgung und auch Fragen zur Qualität der medizinischen Versorgung bedürfen dringend einer grundlegenden Diskussion.
Doch Veränderungen lassen sich oft nur gegen den Widerstand etablierter Institutionen durchsetzen. Das sieht man aktuell am Beispiel der Krankenhausreform: Ein hochgradig wichtiges Thema – doch aus den unterschiedlichen Zuständigkeiten und Interessen von Bund, Ländern und gesetzlicher Krankenversicherung ist eine politisch motivierte Debatte entbrannt, die zu einem Patt zu führen droht. Die niedergelassene Ärzteschaft ist verärgert, weil sie nicht rechtzeitig und umfassend eingebunden wurde (siehe Kommentar zum Stimmungsbarometer im 4. Quartal 2023: „Praxen vor dem Kollaps“). Und Pläne, dass Krankenhäuser in unterversorgten Regionen eine ambulante hausärztliche Versorgung anbieten könnten, stoßen bei ihnen erst recht auf massiven Widerstand. Die Folge: Nichts bewegt sich mehr.
In einer so festgefahrenen Situation wären Eigeninitiative, neue Kooperationsformen und marktliche Mechanismen überlegenswerte Alternativen, die man zumindest prüfen könnte: Warum nicht Praxisketten (auch von Investoren) vermehrt einbinden, anstatt sie zu verteufeln? Warum nicht digitale Möglichkeiten weiter ausbauen, fördern, und intensiver nutzen? Warum nicht private Initiativen unterstützen, die unabhängig von der Agentur für Arbeit daran arbeiten, mit Migranten und migrationswilligen Menschen neues Personal für Klinik und Praxis zu gewinnen? Und auch unter den Niedergelassenen gibt es sicher engagierte Ärztinnen und Ärzte mit innovativen Ideen, die auf lokaler Ebene sinnvolle und effiziente Versorgungsstrukturen schaffen könnten – wenn man sie nur ließe. Somit, um leicht abgewandelt Schiller zu zitieren: Geben Sie mehr Handlungsfreiheit, Sire!
Erhebung: Repräsentative Erhebung mithilfe eines Online-Fragebogens
Erhebungszeitraum: 4.–11. März 2024
Sample: Für jede Berufsgruppe wurde eine repräsentative geschichtete Zufallsstichprobe angeschrieben. Für die aktuelle Befragung erhielten insgesamt 10.000 niedergelassene Hausärzte, Fachärzte, Zahnärzte und Psychologische Psychotherapeuten aus dem Strukturverzeichnis der Versorgung eine Einladung zur Befragung. Zusätzlich wurden 2.093 Ärzte angeschrieben, die regelmäßig an der Befragung teilnehmen.
Rücklauf: 969 valide Fragebögen (Rücklaufquote 8,0 Prozent). Die Ergebnisse sind repräsentativ mit einem Konfidenzniveau von 99% (Konfidenzintervall < ±5%).
Über das Stimmungsbarometer
Seit mehr als 15 Jahren erhebt die Stiftung Gesundheit die wirtschaftliche Stimmung der niedergelassenen Ärzte in der ambulanten Versorgung. Das Stimmungsbarometer gibt differenziert Auskunft darüber, wie die niedergelassenen Ärzte in Deutschland ihre aktuelle wirtschaftliche Lage einschätzen und welche Entwicklung sie in den kommenden sechs Monaten erwarten.
Die Stimmung der Ärzte wird analog zum Geschäftsklima für die gewerbliche Wirtschaft des ifo Institutes (Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München e.V.) erhoben: Aus den Antworten zur Einschätzung der aktuellen Lage und zur Erwartung werden zunächst Salden für Lage und Erwartung gebildet. Die einzelnen Gruppen werden dabei entsprechend ihres Anteils an der Grundgesamtheit gewichtet, um ein repräsentatives Stimmungsbild zu erhalten. Der Wert für die Stimmung der Ärzte entspricht dem Mittelwert der Salden für die aktuelle Lage und die Erwartung. Mehr Details finden Sie auf unserer Seite Methodik und Berechnung.