Stimmung der Ärzte sinkt um 1,3 Punkte

Stimmungsbarometer 3. Quartal 2024: Lage besser, Erwartungen schlechter

Schaubild Stimmungsbarometer: Der Pfeil zeigt auf den roten Bereich.
Die wirtschaftliche Stimmung der niedergelassenen Ärzte ist im 3. Quartal 2024 leicht rückläufig. Die aktuelle Lage wird besser eingeschätzt, die Erwartungen haben sich jedoch verschlechtert.

Das Stimmungsbarometer der Ärzte hat sich im 3. Quartal 2024 kaum verändert: Zu beobachten ist lediglich ein leichter Rückgang um 1,3 Punkte. Damit liegt die Stimmung der Ärzte nun auf einem Wert von -26,5 Punkten.

Während sich die Einschätzung der aktuellen wirtschaftlichen Lage um 3,0 Punkte verbessert hat, ging die Erwartung für die kommenden sechs Monate um 4,9 Punkte zurück.

Entwicklung der Stimmung in den ärztlichen Fachgruppen

Die Stimmung der Hausärzte ging um 3,3 Punkte zurück und liegt nun bei einem Wert von -35. Damit bilden die Hausärzte weiterhin das Schlusslicht der befragten Gruppen.

Auch bei den Fachärzten sank die Stimmung um 3,3 Punkte. Mit einem Stimmungswert von -30,4 rutschen sie nun auf den vorletzten Platz ab.

Bei den Zahnärzten stieg die Stimmung um 1,9 Punkte an. Mit einem Wert von -29,2 liegen sie nun auf dem zweiten Rang.

Die beste Stimmung ist – übrigens durchgehend seit mittlerweile fünf Jahren – bei den Psychologischen Psychotherapeuten zu beobachten: Mit einem erneuten Plus von 1,3 Punkten erreichen sie in diesem Quartal einen Stimmungswert von 3,6 Punkten und liegen damit als einzige Gruppe im positiven Bereich.

Sieben von zehn Ärzten stören Entscheidungen "von oben"

Fast unverändert sorgen vor allem Entscheidungen und Vorgaben von Politik und Selbstverwaltung (71,9 Prozent) und die Digitalisierung (63,6 Prozent). Auf dem dritten Platz liegt in diesem Quartal der Anteil der Praxis-Administration, der nichts mit der separat aufgeführten Digitalisierung zu tun hat (51,5 Prozent).

Stimmung, Lage und Erwartung im Zeitverlauf

Wirtschaftliche Lage und Erwartung in den Fachgruppen

Vergleich mit dem ifo-Geschäftsklimaindex

Der Vergleich der Indexwerte der Stimmung bei den niedergelassenen Ärzten mit dem ifo-Geschäftsklimaindex zeigt für das 3. Quartal 2024 bei beiden einen leichten Rückgang: Dabei sank der Index der Ärzte mit einem Minus von 0,7 Indexpunkten deutlich weniger als der ifo-Index (minus 3,2 Punkte seit Quartalsbeginn). Damit liegt der Stimmungsindex der Ärzte erstmals seit Mitte 2022 wieder oberhalb des ifo-Index.

Vergleich Stimmungsbarometer und ifo-Index
Vergleich des Stimmungsindex der Ärzte mit dem ifo-Geschäftsklimaindex (Stand September 2024)

Kommentar: Proaktiv handeln statt "weiter so"

Prof. Dr. med. Dr. rer. pol. Konrad Obermann, Forschungsleiter der Stiftung Gesundheit.

Seit mehr als zwei Jahren befindet sich die Stimmung der niedergelassenen Ärzte in Deutschland im deutlich negativen Bereich. Doch während das Stimmungstief im Jahr 2020 noch mit den Corona-Ereignissen erklärbar war, findet sich für die aktuelle Situation kein klarer Auslöser: Kriege, Energiekrise und ähnliche Hiobsbotschaften haben sicherlich zur Entwicklung der ärztlichen Stimmung beigetragen, doch sie erklären nicht, warum das Tief weiter anhält. Und auch die Unzufriedenheitsfaktoren, von denen Ärzte uns jedes Quartal berichten, sind zwar drückend, aber allesamt nicht neu.

In der Systemtheorie bezeichnet man so etwas als „schwaches Signal“: Unter diesem Begriff versteht man frühe Anzeichen – quasi Vorboten – für grundlegende Veränderungen eines Systems. Schwache Signale sind initial häufig nicht erklärbar und in vielen Fällen erst rückblickend zuzuordnen. Doch sie zeigen, dass ein System langsam aber stetig aus dem Ruder läuft. Deshalb sollte man sie ernst nehmen.

Das anhaltende Stimmungstief der Ärzte ist nicht das einzige schwache Signal, das wir derzeit im Gesundheitswesen beobachten: Auch die sinkenden Impfquoten bei Kindern, der Trend zu größeren Versorgungszentren, die wachsende Beliebtheit sogenannter Medfluencer in den Social-Media-Netzwerken und viele weitere zählen dazu. Die Auswirkungen all dieser Signale sind definitionsgemäß noch nicht absehbar, doch eines ist klar: Je gehäufter sie auftreten, desto angebrachter ist es, grundsätzlich über das zugrundeliegende System nachzudenken.

In vielen anderen Bereichen, vor allem in der strategischen Unternehmensplanung, hat man bereits erkannt, dass Achtsamkeit für schwache Signale eine wichtige Kernkompetenz ist, um Entwicklungen zu antizipieren und Systeme rechtzeitig an sich verändernde Bedingungen anzupassen. Das erfordert jedoch eine Änderung der Wahrnehmung: Weg von der Bestätigung, hin zu Offenheit für neue Ideen. Konkret gesprochen: Wir brauchen weniger Sonntagsreden à la „Wir haben eines der besten Gesundheitssysteme der Welt“, sondern mehr Reflektion im Sinne von „Wir sollten über neue und vielleicht bessere Formen der Versorgung nachdenken“. Denn proaktiv zu handeln wäre sicherlich besser als ein „weiter so“.

Erhebung: Repräsentative Erhebung mithilfe eines Online-Fragebogens

Erhebungszeitraum: 3.–10. September 2024

Sample: Für jede Berufsgruppe wurde eine repräsentative geschichtete Zufallsstichprobe angeschrieben. Für die aktuelle Befragung erhielten insgesamt 10.000 niedergelassene Hausärzte, Fachärzte, Zahnärzte und Psychologische Psychotherapeuten aus dem Strukturverzeichnis der Versorgung eine Einladung zur Befragung. Zusätzlich wurden 2.562 Ärzte angeschrieben, die regelmäßig an der Befragung teilnehmen.

Rücklauf: 867 valide Fragebögen (Rücklaufquote 6,9 Prozent). Die Ergebnisse sind repräsentativ mit einem Konfidenzniveau von 99% (Konfidenzintervall < ±5%).

Über das Stimmungsbarometer

Seit mehr als 15 Jahren erhebt die Stiftung Gesundheit die wirtschaftliche Stimmung der niedergelassenen Ärzte in der ambulanten Versorgung. Das Stimmungsbarometer gibt differenziert Auskunft darüber, wie die niedergelassenen Ärzte in Deutschland ihre aktuelle wirtschaftliche Lage einschätzen und welche Entwicklung sie in den kommenden sechs Monaten erwarten.

Die Stimmung der Ärzte wird analog zum Geschäftsklima für die gewerbliche Wirtschaft des ifo Institutes (Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München e.V.) erhoben: Aus den Antworten zur Einschätzung der aktuellen Lage und zur Erwartung werden zunächst Salden für Lage und Erwartung gebildet. Die einzelnen Gruppen werden dabei entsprechend ihres Anteils an der Grundgesamtheit gewichtet, um ein repräsentatives Stimmungsbild zu erhalten. Der Wert für die Stimmung der Ärzte entspricht dem Mittelwert der Salden für die aktuelle Lage und die Erwartung. Mehr Details finden Sie auf unserer Seite Methodik und Berechnung.