Stimmungsbarometer 4. Quartal 2024: Seit einem halben Jahr gibt es nur wenig Veränderung
- Stimmung der Haus- und Fachärzte erholt sich
- Störfaktoren: „Dauerbrenner“ haben erneut die Nase vorn
- Stimmung, Lage und Erwartung im Zeitverlauf
- Wirtschaftliche Lage und Erwartung in den Fachgruppen
- Vergleich mit dem ifo-Geschäftsklimaindex
- Kommentar: Vorsichtige Erholung oder Resignation?
Das Stimmungsbarometer der niedergelassenen Ärzte hat sich im 4. Quartal 2024 um 0,9 Punkte verbessert und liegt nun bei -25,6 Punkten. Damit liegt die Stimmung der Ärzte seit dem 2. Quartal 2024 stabil auf diesem Niveau.
Die Einschätzung der aktuellen wirtschaftlichen Lage verbesserte sich um 2,9 Punkte. Die Erwartung für die kommenden sechs Monate ging um 0,7 Punkte zurück.
Entwicklung der Stimmung in den ärztlichen Fachgruppen
Die Stimmung der Hausärzte verbesserte sich um 0,6 Punkte, liegt aber mit einem Wert von -34,4 weiterhin auf dem letzten Platz.
Bei den Fachärzten stieg die Stimmung um 4,5 Punkte an. Mit einem Stimmungswert von -25,8 liegen sie in diesem Quartal auf dem zweiten Rang.
Bei den Zahnärzten blieb die Stimmung unverändert (±0,0 Punkte). Durch die Verbesserung der Stimmung der Fachärzte rutschen sie dennoch auf den vorletzten Rang ab.
Die mit Abstand beste Stimmung ist weiterhin bei den Psychologischen Psychotherapeuten zu beobachten. Allerdings ging ihr Stimmungswert in diesem Quartal um 2,6 Punkte zurück und liegt mit einem Wert von 1,0 Punkten nur noch knapp im positiven Bereich.
Störfaktoren: "Dauerbrenner" haben weiterhin die Nase vorn
Die Top 3 der Störfaktoren aus dem Vorquartal liegen auch in dieser Befragung vorn, und zwar in derselben Reihenfolge: Mittlerweile sorgen Entscheidungen und Vorgaben von Politik und Selbstverwaltung bei drei Vierteln der niedergelassenen Ärzte für Frust (74,0 Prozent). Fast zwei Drittel berichten, dass sich die Digitalisierung derzeit negativ auf ihre Arbeit auswirkt (63,6 Prozent). Auf dem dritten Platz liegt erneut die übrige Praxis-Administration (50,9 Prozent).
Stimmung, Lage und Erwartung im Zeitverlauf
Wirtschaftliche Lage und Erwartung in den Fachgruppen
Vergleich mit dem ifo-Geschäftsklimaindex
Im Gegensatz zum ifo-Geschäftsklimaindex, der im 4. Quartal 2024 um 0,7 Indexpunkte zurückging, stieg die Stimmung bei den niedergelassenen Ärzten um 0,5 Indexpunkte an. Damit liegt der Stimmungsindex der Ärzte erneut oberhalb des ifo-Index.
Kommentar: Vorsichtige Erholung oder Resignation?
Seit Mitte 2023 geht es mit der wirtschaftlichen Stimmung der niedergelassenen Ärzte tendenziell bergauf – auch wenn sich die Gesamtlage noch immer deutlich negativ präsentiert. Gleichzeitig verschlechtert sich jedoch die Erwartungshaltung für die Zukunft seit einigen Monaten wieder. Wohin wird die Reise gehen? Sehen wir den Beginn eines behutsamen Aufschwungs oder eher Anzeichen einer Resignation angesichts der dauerhaft belastenden und angespannten Arbeitssituation?
Tatsächlich ist beides denkbar. Für die Resignations-These spricht, dass die Gesamtsituation – sowohl gesamtwirtschaftlich wie auch Gesundheitsmarkt-spezifisch – weiterhin angespannt ist, trotz einer umfangreichen Reform-Agenda der Bundesregierung. Wesentliche Negativ-Faktoren wirken sich unvermindert stark auf die Arbeit der Ärzte aus. Insbesondere betrifft dies Entscheidungen, die den Ärzten „von oben“ vorgegeben werden, wie aktuell die „ePA für alle“: Mit dem richtigen Konzept und funktionierenden Systemen kann die elektronische Patientenakte sicher ein sinnvolles Instrument werden. Doch der enge Zeitplan für die Einführung sowie zahlreiche ungeklärte Fragen und technische Ungereimtheiten stellen aktuell für die Ärzte, die eh schon am Limit arbeiten, eher eine weitere Belastung dar.
Aus der Psychologie wissen wir, dass Menschen unter Dauerstress – wie ihn die Ärzte seit Jahren erleben – unbewusst mit innerpsychischen Anpassungen reagieren: So sinkt die Erwartungshaltung bei anhaltend schlechten Nachrichten, was die Situation subjektiv erträglicher erscheinen lässt. Solche Coping-Strategien könnten eine Erklärung dafür sein, warum sich das Stimmungsbarometer derzeit stabil zeigt, obwohl die grundsätzlichen Probleme alles andere als gelöst sind.
Vielleicht tragen aber auch die betriebswirtschaftlichen Anpassungen, die zahlreiche Praxen vornehmen mussten, mittlerweile Früchte: Praxisindividuelle Verbesserungen der Ertrags- bzw. Kostensituation durch Sparmaßnahmen, verstärkte privatärztliche Leistungen oder die Auflösung von Rückstellungen bzw. Verschiebung von Neuanschaffungen könnten zu einer tatsächlichen Verbesserung der wirtschaftlichen Lage beigetragen haben – und den Ärzten zugleich das gute Gefühl geben, die Kontrolle über die Situation zumindest ein Stück weit wiederzuerlangen.
Solche praxisinternen Mikro-Optimierungen sind allerdings nur begrenzt häufig durchführbar. Bei anhaltend schwierigen Rahmenbedingungen ist zu befürchten, dass die beobachtete moderate Besserung der Stimmung nicht anhalten wird. Mehr denn je kommt es nun darauf an, die bestehenden strukturellen Probleme im Gesundheitswesen zu lösen, um damit die Voraussetzungen für eine nachhaltige Verbesserung der gesundheitspolitischen Lage zu schaffen.
Erhebung: Repräsentative Erhebung mithilfe eines Online-Fragebogens
Erhebungszeitraum: 13.–20. November 2024
Sample: Für jede Berufsgruppe wurde eine repräsentative geschichtete Zufallsstichprobe angeschrieben. Für die aktuelle Befragung erhielten insgesamt 10.000 niedergelassene Hausärzte, Fachärzte, Zahnärzte und Psychologische Psychotherapeuten aus dem Strukturverzeichnis der Versorgung eine Einladung zur Befragung. Zusätzlich wurden 2.531 Ärzte angeschrieben, die regelmäßig an der Befragung teilnehmen.
Rücklauf: 792 valide Fragebögen (Rücklaufquote 6,3 Prozent). Die Ergebnisse sind repräsentativ mit einem Konfidenzniveau von 99% (Konfidenzintervall < ±5%).
Über das Stimmungsbarometer
Seit mehr als 15 Jahren erhebt die Stiftung Gesundheit die wirtschaftliche Stimmung der niedergelassenen Ärzte in der ambulanten Versorgung. Das Stimmungsbarometer gibt differenziert Auskunft darüber, wie die niedergelassenen Ärzte in Deutschland ihre aktuelle wirtschaftliche Lage einschätzen und welche Entwicklung sie in den kommenden sechs Monaten erwarten.
Die Stimmung der Ärzte wird analog zum Geschäftsklima für die gewerbliche Wirtschaft des ifo Institutes (Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München e.V.) erhoben: Aus den Antworten zur Einschätzung der aktuellen Lage und zur Erwartung werden zunächst Salden für Lage und Erwartung gebildet. Die einzelnen Gruppen werden dabei entsprechend ihres Anteils an der Grundgesamtheit gewichtet, um ein repräsentatives Stimmungsbild zu erhalten. Der Wert für die Stimmung der Ärzte entspricht dem Mittelwert der Salden für die aktuelle Lage und die Erwartung. Mehr Details finden Sie auf unserer Seite Methodik und Berechnung.